Das Altern ist ein komplexer biologischer Prozess, der durch eine allmähliche Abnahme der physiologischen Funktionen gekennzeichnet ist. Mit diesem Prozess einher geht eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten und schließlich der Tod.
Doch kann dieser Prozess vielleicht verlangsamt werden? In der umfangreichen Studie von López-Otín et al. (2013) werden neun sogenannte „Hallmarks of Aging“ (Kennzeichen des Alterns) identifiziert. Diese molekularen und zellulären Vorgänge könnten die Hauptursachen für den Alterungsprozess in Zellen und Geweben darstellen. Sie treten unweigerlich mit steigendem Alter auf und stehen in Verbindung mit altersassoziierten Erkrankungen.
Das Besondere daran: Die Hallmarks können beeinflusst werden. Mit Hilfe positiver Einflüsse könnte es dadurch möglich sein, den Alterungsprozess tatsächlich zu verlangsamen (López-Otín et al., 2013).
Die neun Hallmarks of Aging
- Genomische Instabilität: Unsere DNA ist ständig einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt. Durch Faktoren wie UV-Strahlung, toxische Chemikalien und normale zelluläre Prozesse sammeln sich mit der Zeit DNA-Schäden an. Zellen haben Reparatursysteme, um diese Schäden zu beheben. Mit zunehmendem Alter werden diese Systeme jedoch weniger effizient, was zu einer Anhäufung von Schäden führt.
- Telomer-Abbau: Telomere sind die Enden unserer Chromosomen, die unsere Gene schützen. Bei jeder Zellteilung verkürzen sich die Telomere jedoch ein wenig. Wenn die Telomere zu kurz werden, kann die Zelle sich nicht mehr korrekt teilen. Sie wird dadurch “seneszent” oder stirbt sogar ab.
- Epigenetische Veränderungen: Epigenetik bezieht sich auf Änderungen in der Genaktivität, die nicht durch Änderungen der DNA-Sequenz verursacht werden. Epigenetische Veränderungen können durch eine Vielzahl von Faktoren, einschließlich Alter, Ernährung und Umwelt, beeinflusst werden. Im Alter können diese Veränderungen zu einer dysregulierten Genexpression führen, was zu einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit führen kann.
- Verlust der Proteostase: Proteine sind für das ordnungsgemäße Funktionieren unserer Zellen unerlässlich. Mit zunehmendem Alter wird das System, das die Herstellung, Faltung und den Abbau von Proteinen kontrolliert, dysfunktional. Dadurch kommt es zur zunehmenden Anhäufung von fehlgefalteten oder beschädigten Proteinen.
- Deregulierte Nährstofferkennung: Im Laufe der Zeit können die zellulären Mechanismen, die die Aufnahme und Verwendung von Nährstoffen regulieren, beeinträchtigt werden. Dies führt zu Stoffwechselstörungen wie Diabetes und Fettleibigkeit.
- Mitochondriale Dysfunktion: Mitochondrien sind die “Energiekraftwerke” der Zelle. Ihre Funktion nimmt mit zunehmendem Alter ab, was zu einer verringerten Energieproduktion und erhöhtem oxidativem Stress führt.
- Zelluläre Seneszenz: Mit der Zeit verlieren Zellen ihre Fähigkeit, sich zu teilen und zu erneuern. Dieser Zustand, bekannt als zelluläre Seneszenz, trägt zur Alterung und verschiedenen altersbedingten Krankheiten bei.
- Stammzell-Erschöpfung: Stammzellen sind verantwortlich für die Erneuerung und Reparatur von Geweben. Im Alter nimmt ihre Anzahl und Funktion ab, was zu einer verminderten Regenerationskapazität des Gewebes führt.
- Veränderte interzelluläre Kommunikation: Im Laufe der Zeit können die Mechanismen, die die Kommunikation zwischen Zellen ermöglichen und regulieren, beeinträchtigt werden. Das führt zur Entstehung chronischer Entzündungen und zu einer Beeinträchtigung der Funktion von Geweben und Organen.
Die neun Hallmarks sind dabei eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Zum Beispiel kann genomische Instabilität zu DNA-Schäden führen, die wiederum die Telomer-Integrität beeinträchtigen und epigenetische Veränderungen verursacht. Diese Veränderungen können dann die Proteostase beeinflussen und zu zellulärer Seneszenz und Stammzell-Erschöpfung führen. Gleichzeitig beeinträchtigen all diese Veränderungen die interzelluläre Kommunikation und die mitochondrialen Funktion (López-Otín et al., 2013).
Erweiterung der Hallmarks
Seit der Veröffentlichung der ursprünglichen Hallmarks of Aging durch López-Otín et al. (2013) haben sich unsere Kenntnisse über die Mechanismen des Alterns erweitert. Eine neuere Studie von Schmauck-Medina et al. (2022) hat die Liste um weitere Merkmale ergänzt:
- Dysfunktion des Nukleolus: Der Nukleolus ist eine Struktur im Zellkern, die eine Schlüsselrolle bei der Produktion von Zellorganellen spielt. Diese Funktion kann im Laufe der Zeit beeinträchtigt werden, was zu einer verminderten Proteinherstellung und zellulärer Dysfunktion führt.
- Fehlregulation der RNA-Prozessierung: RNA ist für die Übersetzung von Genen in Proteine unerlässlich. Änderungen in der RNA-Prozessierung führen zu einer beeinträchtigten Genexpression und zellulärer Dysfunktion.
- Änderungen der Zirkadianen Rhythmik: Unsere biologischen Uhren, die unsere Schlaf-Wach-Zyklen, Hormonproduktion und viele andere physiologische Prozesse regulieren, werden mit zunehmendem Alter dysreguliert. Dies kann zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen führen, einschließlich Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselstörungen.
- Immunoseneszenz: Mit zunehmendem Alter arbeitet das Immunsystem weniger effizient. Die Folge ist eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen und möglicherweise ein höheres Risiko für Autoimmunerkrankungen.
- Änderungen in der Darm-Mikrobiom: Die Gemeinschaft von Mikroorganismen in unserem Darm, bekannt als Mikrobiom, spielt eine entscheidende Rolle bei der Gesundheit und Krankheit. Änderungen in der Zusammensetzung und Funktion sind mit einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen verbunden. Dazu gehören Fettleibigkeit, entzündliche Darmerkrankungen und sogar neurologische Störungen.
Diese Ergänzungen verdeutlichen die Komplexität des Alterungsprozesses und die Vielzahl von Faktoren, die ihn beeinflussen. Sie bieten auch neue Ansätze zur Behandlung und möglichen Verhinderung von altersbedingten Krankheiten (Schmauck-Medina et al., 2022)

Ernährung zur Beeinflussung der Hallmarks
Einer der vielversprechendsten Ansätze, um die Hallmarks of Aging positiv zu beeinflussen, ist die Ernährung. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass die Mittelmeerdiät und bestimmte Substanzen wie Resveratrol, Spermidin, Nicotinamidmononukleotid (NMN) und Curcumin positive Auswirkungen auf die sogenannten “Hallmarks of Aging” haben (Shannon et al., 2021; Gómez-Linton et al., 2019; Li et al., 2018; Madeo et al., 2010; Nadeeshani et al., 2022; Zia et al., 2021):
- Genomische Instabilität: Eine Ernährung reich an Antioxidantien, die in der Mittelmeerdiät häufig vorkommen, hilft unmittelbar, DNA-Schäden zu reduzieren
- Telomer-Abbau: Bestimmte Nährstoffe, die in der Mittelmeerdiät reichlich vorhanden sind, wie Omega-3-Fettsäuren, können den Abbau von Telomeren verlangsamen.
- Epigenetische Veränderungen: Die Mittelmeerdiät fördert positive Veränderungen in der DNA-Methylierung. Dadurch werden Gene aktiviert oder deaktiviert.
- Verlust der Proteostase: Proteine spielen in Zellen eine entscheidende Rolle. Eine ausgewogene Ernährung unterstützt die Proteostase, indem sie die Produktion und den Abbau von Proteinen fördert.
- Deregulierte Nährstofferkennung: Eine Ernährung mit ausgewogenen Makronährstoffen, wie sie die Mittelmeerdiät bietet, unterstützt eine regulierte die Nährstofferkennung.
- Mitochondriale Dysfunktion: Antioxidantien und entzündungshemmende Nährstoffe in der Mittelmeerdiät können die mitochondriale Gesundheit fördern
- Zelluläre Seneszenz: Die in der Mittelmeerdiät reichlich vorhandenen Phytonährstoffe können die zelluläre Seneszenz verlangsamen.
- Stammzell-Erschöpfung: Eine gesunde Ernährung kann die Gesundheit und das Überleben von Stammzellen unterstützen.
- Veränderte interzelluläre Kommunikation: Eine ausgewogene Ernährung kann dazu beitragen, dass Zellen effektiv miteinander kommunizieren (Shannon et al., 2021).
Über diese grundsätzlichen Effekte gibt es auch bestimmte Nährstoffe, die einen besonderen Nutzen entfalten. Zu diesen Substanzen, die nachweislich positive Auswirkungen auf die Hallmarks of Aging haben, gehören:
- Resveratrol: Es hat antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften und kann die Telomere schützen. Außerdem verbessert es die mitochondriale Gesundheit und fördert die Proteostase (Li et al., 2018).
- Spermidin: Dieses sogenannte Polyamin induziert die Autophagie — einen zellulären Reinigungsprozess. Dadurch unterstützt es die Proteostase und die verlangsamt zelluläre Seneszenz (Madeo et al., 2010).
- Nicotinamidmononukleotid (NMN): Diese Substanz unterstützt die DNA-Reparatur , verbessert die mitochondriale Funktion und fördert die Stammzellgesundheit (Nadeeshani et al., 2022).
- Curcumin: Es hat antioxidative, entzündungshemmende und epigenetische Auswirkungen und kann daher mehrere Hallmarks of Aging positiv beeinflussen (Zia et al., 2021).
Fazit
Während das Altern ein unvermeidlicher Prozess ist, können Ernährung und bestimmte natürliche Verbindungen diesen Prozess beeinflussen. Dadurch tragen sie zu einem gesünderen und längeren Leben bei. Sowohl die Mittelmeerdiät als auch Verbindungen wie Resveratrol, Spermidin, NMN und Curcumin modulieren den Alterungsprozess. Zusammen mit viel Bewegung und gutem Stressmanagement macht einen das zwar immer noch nicht unsterblich. Es ist jedoch möglich, das Risiko für altersassoziierte Erkrankungen deutlich zu mindern.
Quellen
- Gómez-Linton, D. R., Alavez, S., Alarcón-Aguilar, A., López-Diazguerrero, N. E., Konigsberg, M., & Pérez-Flores, L. J. (2019). Some naturally occurring compounds that increase longevity and stress resistance in model organisms of aging. Biogerontology, 20(5), 583–603. https://doi.org/10.1007/s10522-019–09817‑2
- Green, C. L., Lamming, D. W., & Fontana, L. (2022). Molecular mechanisms of dietary restriction promoting health and longevity. Nature Reviews. Molecular Cell Biology, 23(1), 56–73. https://doi.org/10.1038/s41580-021–00411‑4
- Li, Y.-R., Li, S., & Lin, C.-C. (2018). Effect of resveratrol and pterostilbene on aging and longevity. BioFactors (Oxford, England), 44(1), 69–82. https://doi.org/10.1002/biof.1400
- López-Otín, C., Blasco, M. A., Partridge, L., Serrano, M., & Kroemer, G. (2013). The hallmarks of aging. Cell, 153(6), 1194–1217. https://doi.org/10.1016/j.cell.2013.05.039
- Madeo, F., Eisenberg, T., Büttner, S., Ruckenstuhl, C., & Kroemer, G. (2010). Spermidine: a novel autophagy inducer and longevity elixir. Autophagy, 6(1), 160–162. https://doi.org/10.4161/auto.6.1.10600
- Nadeeshani, H., Li, J., Ying, T., Zhang, B., & Lu, J. (2022). Nicotinamide mononucleotide (NMN) as an anti-aging health product — Promises and safety concerns. Journal of Advanced Research, 37, 267–278. https://doi.org/10.1016/j.jare.2021.08.003
- Schmauck-Medina, T., Molière, A., Lautrup, S., Zhang, J., Chlopicki, S., Madsen, H. B., Cao, S., Soendenbroe, C., Mansell, E., Vestergaard, M. B., Li, Z., Shiloh, Y., Opresko, P. L., Egly, J.-M., Kirkwood, T., Verdin, E., Bohr, V. A., Cox, L. S., Stevnsner, T., … Fang, E. F. (2022). New hallmarks of ageing: a 2022 Copenhagen ageing meeting summary. Aging, 14(16), 6829–6839. https://doi.org/10.18632/aging.204248
- Shannon, O. M., Ashor, A. W., Scialo, F., Saretzki, G., Martin-Ruiz, C., Lara, J., Matu, J., Griffiths, A., Robinson, N., Lillà, L., Stevenson, E., Stephan, B. C. M., Minihane, A. M., Siervo, M., & Mathers, J. C. (2021). Mediterranean diet and the hallmarks of ageing. European Journal of Clinical Nutrition, 75(8), 1176–1192. https://doi.org/10.1038/s41430-020–00841‑x
- Zia, A., Farkhondeh, T., Pourbagher-Shahri, A. M., & Samarghandian, S. (2021). The role of curcumin in aging and senescence: Molecular mechanisms. Biomedicine & Pharmacotherapy = Biomedecine & Pharmacotherapie, 134, 111119. https://doi.org/10.1016/j.biopha.2020.111119