Spermidin für neurodegenerative Erkrankungen?

Was ist Spermidin?

Sper­mi­din ist ein soge­nann­tes Poly­amin, eine orga­ni­sche Ver­bin­dung, die in leben­den Orga­nis­men auf natür­li­che Weise vor­kommt. Es wurde ursprüng­lich im mensch­li­chen Sper­ma ent­deckt, daher sein Name. Es fin­det sich aber auch in ver­schie­de­nen Lebens­mit­teln wie Wei­zen­kei­men, Soja­boh­nen und rei­fem Käse (Eisen­berg et al., 2009).

Sper­mi­din spielt eine zen­tra­le Rolle bei einer Viel­zahl von zel­lu­lä­ren Pro­zes­se. Dazu zäh­len die Regu­la­ti­on des Zell­wachs­tums, die Gen­sta­bi­li­tät und die Pro­te­in­bio­syn­the­se. All diese Pro­zes­se sind essen­ti­ell für die all­ge­mei­ne Gesund­heit und Lang­le­big­keit (Eisen­berg et al., 2009).

Was sind neurodegenerative Erkrankungen?

Neu­ro­de­ge­nera­ti­ve Erkran­kun­gen umfas­sen ein brei­tes Spek­trum von Krank­hei­ten. Diese zeich­nen sich alle durch den pro­gres­si­ven Ver­lust der Struk­tur und Funk­ti­on von Neu­ro­nen aus. Zu die­sen Erkran­kun­gen gehö­ren die Alz­hei­mer-Krank­heit, die Par­kin­son-Krank­heit, die Amyo­tro­phe Late­ral­skle­ro­se (ALS) und die Hun­ting­ton-Krank­heit. Diese Krank­hei­ten haben typi­sche, meist fort­schrei­ten­de Sym­pto­me. Dazu zäh­len Gedächt­nis­ver­lust, Beein­träch­ti­gung der moto­ri­schen Fähig­kei­ten und der Ver­lust der kogni­ti­ven Funk­tio­nen (Ghosh et al., 2020).

Wie wirkt Spermidin?

Die Wir­kung von Sper­mi­din hängt mit sei­ner Fähig­keit zusam­men, die Auto­pha­gie zu indu­zie­ren. Die Auto­pha­gie ist ein zel­lu­lä­rer Rei­ni­gungs­pro­zess, der beschä­dig­te und funk­ti­ons­lo­se Zell­be­stand­tei­le abbaut und recy­celt. Diese “zel­lu­lä­re Haus­rei­ni­gung” ist ent­schei­dend für die Auf­recht­erhal­tung der zel­lu­lä­ren Gesund­heit und die Ver­mei­dung dege­ne­ra­ti­ver Pro­zes­se (Madeo et al., 2018).

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Eine Stu­die von Bütt­ner et al. (2014) hat gezeigt, dass Sper­mi­din vor der Neu­ro­to­xi­zi­tät von α‑Synuclein schützt, einem Pro­te­in, das in hohen Kon­zen­tra­tio­nen in den Gehir­nen von Pati­en­ten mit Par­kin­son-Krank­heit gefun­den wird. Die For­scher fan­den her­aus, dass Sper­mi­din die α‑Syn­u­clein-Aggre­ga­ti­on redu­ziert, einen Mecha­nis­mus, der zur Neu­ro­de­ge­nera­ti­on bei­trägt (Bütt­ner et al., 2014).

Spermidin und Alzheimer

Die Rolle von Sper­mi­din bei der Alz­hei­mer-Krank­heit wurde von Lumkwa­na et al. (2022) unter­sucht. Die For­scher ver­wen­de­ten fort­schritt­li­che Mikro­sko­pie­tech­ni­ken, um zu zei­gen, dass Sper­mi­din die Zell­struk­tu­ren von Neu­ro­nen posi­tiv beein­flusst. Sie stell­ten fest, dass Sper­mi­din die Bil­dung von β‑A­my­lo­id-Plaques, die bei Alz­hei­mer-Pati­en­ten gefun­den wer­den, ver­hin­dern kann (Lumkwa­na et al., 2022).

Spermidin und Alterung

Eine Stu­die von Wirth et al. (2021) zeig­te, dass die Sup­ple­men­tie­rung mit Sper­mi­din die Telo­mer­län­ge, ein Mar­ker für zel­lu­lä­re Alte­rung, erhal­ten kann. Sie fan­den her­aus, dass Mäuse, die mit Sper­mi­din behan­delt wur­den, eine gerin­ge­re Ver­kür­zung der Telo­me­re zeig­ten. Län­ge­re Telo­me­re wei­sen auf eine ver­lang­sam­te Alte­rung hin (Wirth et al., 2021).

Spermidin und neuropathischer Schmerz

Eine wei­te­re Stu­die von You­se­fi-Manesh et al. (2023) hat gezeigt, dass Sper­mi­din neu­ro­pa­thi­sche Schmer­zen bei Rat­ten mit chro­ni­schen Ner­ven­ver­let­zun­gen redu­zie­ren kann. Die Autoren ver­mu­ten, dass dies auf die Fähig­keit von Sper­mi­din zurück­zu­füh­ren ist, die Auto­pha­gie zu stei­gern. Dadurch scheint es zur Rege­ne­ra­ti­on der Ner­ven bei­zu­tra­gen (You­se­fi-Manesh et al., 2023).

Klinische Studien

In kli­ni­schen Stu­di­en hat sich gezeigt, dass Sper­mi­din posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf älte­re Men­schen mit Demenz­sym­pto­men hat. Pekar et al. (2021) führ­ten eine drei­mo­na­ti­ge Stu­die durch, in der sie die Wir­kung von Sper­mi­din bei älte­ren Men­schen mit Demenz beob­ach­te­ten. Die Ergeb­nis­se zeig­ten eine signi­fi­kan­te Ver­bes­se­rung der kogni­ti­ven Leis­tungs­fä­hig­keit und eine Ver­rin­ge­rung der Sym­pto­me (Pekar et al., 2021).

Infografik: Risikofaktoren für Demenz. Kann Spermidin davor schützen?

Schwarz et al. (2018) und Wirth et al. (2018) unter­such­ten die Sicher­heit und Ver­träg­lich­keit von Sper­mi­din-Sup­ple­men­tie­rung bei älte­ren Erwach­se­nen mit sub­jek­ti­vem kogni­ti­ven Rück­gang. Beide Stu­di­en stell­ten fest, dass Sper­mi­din gut ver­träg­lich ist und posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die kogni­ti­ve Leis­tung haben kann (Schwarz et al., 2018, Wirth et al., 2018).

Spermidin als Nahrungsergänzungsmittel einnehmen?

Eine aus­rei­chen­de Zufuhr von Sper­mi­din über die nor­ma­le Ernäh­rung ist nicht ganz ein­fach. Ledig­lich Wie­zen­kei­me und eini­ge Hül­sen­früch­te ent­hal­ten rele­van­te Men­gen (Eisen­berg et al., 2009). Ein Wei­zen­keim-Extrakt mit stan­dar­di­sier­tem Sper­mi­din-Gehalt kann hier die Lösung sein. Diese wur­den auch in vie­len der genann­ten Stu­di­en benutzt.

Inter­es­sant kann außer­dem die Kom­bi­na­ti­on der Ami­no­säu­re L‑Arginin mit einem pro­bio­ti­schen Bifi­do­bak­te­ri­um sein. Das soge­nann­te Bifi­do­bak­te­ri­um ani­ma­lis kann näm­lich L‑Arginin im Darm zu Sper­mi­din umwan­deln. Durch die kom­bi­nier­te Gabe konn­ten japa­ni­sche Wis­sen­schaft­ler den Sper­mi­din-Spie­gel bei mensch­li­chen Pro­ban­den erhö­hen. Und das ohne Sper­mi­din direkt zu ver­ab­rei­chen! Ganz neben­bei ver­bes­ser­ten sie dabei außer­dem noch die Gefäß­funk­ti­on (Mat­su­mo­to et al., 2019).

Fazit

Die For­schung zu Sper­mi­din ist noch jung, aber die bis­he­ri­gen Ergeb­nis­se sind viel­ver­spre­chend. Noch gibt es keine defi­ni­ti­ve Ant­wort auf die Frage, ob Sper­mi­din als The­ra­pie für neu­ro­de­ge­nera­ti­ve Erkran­kun­gen ver­wen­det wer­den kann. Die aktu­el­len Stu­di­en zei­gen jedoch, dass Sper­mi­din das Poten­zi­al hat, neu­ro­de­ge­nera­ti­ve Pro­zes­se zu ver­lang­sa­men und mög­li­cher­wei­se sogar zu ver­hin­dern. Dabei soll­ten ent­spre­chen­de Kap­seln am bes­ten ver­blis­tert sein, um das Sper­mi­din vor zu viel Sau­er­stoff-Kon­takt zu schützen.

Quellen

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  2. Eisen­berg, T., Knau­er, H., Schau­er, A., Bütt­ner, S., Rucken­stuhl, C., Car­mo­na-Gut­ier­rez, D., … & Taver­nara­kis, N. (2009). Induc­tion of auto­pha­gy by sper­mi­di­ne pro­mo­tes lon­ge­vi­ty. Natu­re cell bio­lo­gy, 11(11), 1305–1314.
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  12. Wirth, A., Wolf, B., Huang, C.-K., Glage, S., Hofer, S. J., Bank­stahl, M., Bär, C., Thum, T., Kahl, K. G., Sig­rist, S. J., Madeo, F., Bank­stahl, J. P., & Ponimas­kin, E. (2021). Novel aspects of age-pro­tec­tion by sper­mi­di­ne sup­ple­men­ta­ti­on are asso­cia­ted with pre­ser­ved telo­me­re length. Gero­Sci­ence, 43(2), 673–690. https://doi.org/10.1007/s11357-020–00310‑0
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