Spermidin und seine Wirkung auf Herzkreislauf-Erkrankungen: Wie ein Polyamin den Schlüssel zur Gesundheit unseres Herzens halten könnte
Spermidin, ein natürlich vorkommendes Polyamin, gewinnt in der medizinischen Forschung immer mehr an Bedeutung. Insbesondere seine potenziellen Auswirkungen auf Herzkreislauf-Erkrankungen werden immer mehr untersucht. Bevor wir in die Details eintauchen, sollten wir uns zunächst einmal mit den Grundlagen vertraut machen.
Was ist Spermidin und wie wirkt es?
Spermidin ist eine biologisch aktive Verbindung, die in unseren Zellen und in verschiedenen Lebensmitteln vorkommt. Dazu gehören Weizenkeime, Sojabohnen, Reiskeime und Hülsenfrüchte (Zou et al., 2022). Die Bedeutung von Spermidin für die menschliche Gesundheit wird vor allem durch seine Beteiligung an der Autophagie bedingt.
Autophagie ist ein lebenswichtiger zellulärer Prozess, der die Zelle reinigt und erneuert. Er ist zuständig für den Abbau und die Wiederverwertung von beschädigten oder ungenutzten Zellkomponenten. Die Autophagie spielt eine zentrale Rolle in der Gesundheit und Langlebigkeit unserer Zellen. Sie ist entscheidend für die Prävention von altersbedingten Krankheiten (Abdellatif et al., 2018).
Spermidin fördert die Autophagie in verschiedenen Organen, einschließlich des Herzens, und kann so die Zellgesundheit und ‑funktion verbessern (Eisenberg et al., 2016). Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass Spermidin die mitochondriale Funktion und Biogenese verbessert. Die Mitochondrien spielen eine entscheidende Rolle für die Energieproduktion in unseren Zellen. (Wang et al., 2020).
Was sind Herzkreislauf-Erkrankungen?
Herzkreislauf-Erkrankungen umfassen eine Reihe von Krankheiten, die das Herz und die Blutgefäße betreffen. Dazu gehören Hypertonie (Bluthochdruck), koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz und Schlaganfall. Diese Krankheitsbilder haben verschiedene Ursachen, oft spielen aber Faktoren wie Alterung, Genetik, Ernährung und Lebensstil eine wichtige Rolle.
Wie wirkt Spermidin auf Herzkreislauf-Erkrankungen?
Spermidin hat mehrere positive Auswirkungen auf das Herz und die Blutgefäße. Diese werden durch verschiedene Mechanismen vermittelt. Einige davon sind die Verbesserung der Autophagie, die Steigerung der mitochondrialen Funktion und Biogenese sowie die Unterdrückung der Gefäßkalzifikation (Eisenberg et al., 2016; Wang et al., 2020; Liu et al., 2021).
Die Studie von Eisenberg und Kollegen (2016) stellte fest, dass Spermidin eine kardioprotektive Wirkung hat, indem es die Autophagie fördert. Dies kann die Lebensspanne verlängern und vor altersbedingter kardialer Dysfunktion schützen (Eisenberg et al., 2016). Eine nachfolgende Studie von Eisenberg und Kollegen (2017) fand heraus, dass eine Ernährung mit Spermidin den Blutdruck senken kann. Ein Blutdruck im gesunden Rahmen gilt als wichtiger Faktor bei der Vorbeugung von Herzkreislauf-Erkrankungen (Eisenberg et al., 2017).

Spermidin hat auch eine direkte Wirkung auf die Gefäße. Es kann die Entwicklung von abdominalen Aortenaneurysmen unterdrücken. Dabei handelt es sich um eine ernsthafte Erkrankung, bei der sich eine Ausbuchtung in der Hauptschlagader des Körpers bildet (Liu et al., 2020). Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Spermidin die Gefäßkalzifikation hemmt. Diese Komplikation tritt unter anderem bei chronischer Nierenerkrankung auf und erhöht das Risiko von Herzkreislauf-Erkrankungen (Liu et al., 2021).
Auch die Darmgesundheit könnte eine Rolle bei der Wirkung von Spermidin auf Herzkreislauf-Erkrankungen spielen. Eine Studie von Liu et al. (2022) zeigte, dass Spermidin das Mikrobiom im Darm moduliert, was weitere gesundheitliche Vorteile bringen könnte (Liu et al., 2022).
Spermidin von der Darmflora produzieren lassen?
Eine interessante Entwicklung in der Forschung zu Spermidin und Herzkreislauf-Erkrankungen betrifft ebenfalls das Mikrobiom. Dieses besteht aus Billionen von Mikroorganismen, darunter Bakterien, Pilze und sogar Viren. Dieses Ökosystem lebt in unserem Darm und spielt eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit.
In einer Studie, die 2019 in “Gut Microbes” veröffentlicht wurde, untersuchten Forscher die Möglichkeit, die Produktion von Spermidin durch die Darmflora zu steigern. Sie fanden heraus, dass bestimmte Arten von Darmbakterien Spermidin produzieren können. Interessanterweise stellten sie auch fest, dass die Spermidinproduktion durch diese Bakterien mit der Ernährung und anderen Faktoren beeinflusst werden kann (Matsumoto et al., 2019).
Zu diesem Zweck kombinierten sie das probiotische Bifidobakterium animalis, subspecies lactis mit der Aminosäure L‑Arginin. Diese sollte dabei als Ausgangsstoff für die SPermidin-Synthese dienen. Das Ergebnis: Ohne dass sie den Probanden Spermidin gegeben hatten, konnten die Forscher einen höheren Spermidin-Spiegel im Blut dokumentieren. Zugleich konnte sie eine Verbesserung der Gefäßelastizität durch die verbesserte Spermidin-Synthese dokumentieren (Matsumoto et al., 2019).
Schlussfolgerung
Die Erkenntnisse über die Auswirkungen von Spermidin auf die menschliche Gesundheit und insbesondere auf Herzkreislauf-Erkrankungen sind ermutigend. Es handelt sich um eine natürliche Verbindung, die die Gesundheit des Herzens und der Gefäße durch verschiedene Mechanismen fördert. Dazu gehören vor allem die Förderung der Autophagie und die Verbesserung der mitochondrialen Funktion. Die Forschung steht jedoch noch am Anfang und weitere Studien werden zeigen, inwieweit Spermidin sich therapeutisch einsetzen lässt.
Quellen
- Abdellatif, M., Madeo, F., Kroemer, G., & Sedej, S. (2022). Spermidine overrides INSR (insulin receptor)-IGF1R (insulin-like growth factor 1 receptor)-mediated inhibition of autophagy in the aging heart. Autophagy, 18(10), 2500–2502. https://doi.org/10.1080/15548627.2022.2095835
- Abdellatif, M., Sedej, S., Carmona-Gutierrez, D., Madeo, F., & Kroemer, G. (2018). Autophagy in Cardiovascular Aging. Circulation Research, 123(7), 803–824. https://doi.org/10.1161/CIRCRESAHA.118.312208
- Eisenberg, T., Abdellatif, M., Schroeder, S., Primessnig, U., Stekovic, S., Pendl, T., Harger, A., Schipke, J., Zimmermann, A., Schmidt, A., Tong, M., Ruckenstuhl, C., Dammbrueck, C., Gross, A. S., Herbst, V., Magnes, C., Trausinger, G., Narath, S., Meinitzer, A., … Madeo, F. (2016). Cardioprotection and lifespan extension by the natural polyamine spermidine. Nature Medicine, 22(12), 1428–1438. https://doi.org/10.1038/nm.4222
- Eisenberg, T., Abdellatif, M., Zimmermann, A., Schroeder, S., Pendl, T., Harger, A., Stekovic, S., Schipke, J., Magnes, C., Schmidt, A., Ruckenstuhl, C., Dammbrueck, C., Gross, A. S., Herbst, V., Carmona-Gutierrez, D., Pietrocola, F., Pieber, T. R., Sigrist, S. J., Linke, W. A., … Madeo, F. (2017). Dietary spermidine for lowering high blood pressure. Autophagy, 13(4), 767–769. https://doi.org/10.1080/15548627.2017.1280225
- Liu, S., Huang, T., Liu, R., Cai, H., Pan, B., Liao, M., Yang, P., Wang, L., Huang, J., Ge, Y., Xu, B., & Wang, W. (2020). Spermidine Suppresses Development of Experimental Abdominal Aortic Aneurysms. Journal of the American Heart Association, 9(8), e014757. https://doi.org/10.1161/JAHA.119.014757
- Liu, S., Liu, Y., Zhao, J., Yang, P., Wang, W., & Liao, M. (2022). Effects of Spermidine on Gut Microbiota Modulation in Experimental Abdominal Aortic Aneurysm Mice. Nutrients, 14(16). https://doi.org/10.3390/nu14163349
- Liu, X., Chen, A., Liang, Q., Yang, X., Dong, Q., Fu, M., Wang, S., Li, Y., Ye, Y., Lan, Z., Chen, Y., Ou, J.-S., Yang, P., Lu, L., & Yan, J. (2021). Spermidine inhibits vascular calcification in chronic kidney disease through modulation of SIRT1 signaling pathway. Aging Cell, 20(6), e13377. https://doi.org/10.1111/acel.13377
- Matsumoto, M., Kitada, Y., & Naito, Y. (2019). Endothelial Function is improved by Inducing Microbial Polyamine Production in the Gut: A Randomized Placebo-Controlled Trial. Nutrients, 11(5). https://doi.org/10.3390/nu11051188
- Tong, D., & Hill, J. A. (2017). Spermidine Promotes Cardioprotective Autophagy. Circulation Research, 120(8), 1229–1231. https://doi.org/10.1161/CIRCRESAHA.117.310603
- Wang, J., Li, S., Wang, J., Wu, F., Chen, Y., Zhang, H., Guo, Y., Lin, Y., Li, L., Yu, X., Liu, T., & Zhao, Y. (2020). Spermidine alleviates cardiac aging by improving mitochondrial biogenesis and function. Aging, 12(1), 650–671. https://doi.org/10.18632/aging.102647
- Zou, D., Zhao, Z., Li, L., Min, Y., Zhang, D., Ji, A., Jiang, C., Wei, X., & Wu, X. (2022). A comprehensive review of spermidine: Safety, health effects, absorption and metabolism, food materials evaluation, physical and chemical processing, and bioprocessing. Comprehensive Reviews in Food Science and Food Safety, 21(3), 2820–2842. https://doi.org/10.1111/1541–4337.12963